Virtual Reality in der Ingenieursausbildung
Virtuelle Realitäten und Simulationen helfen den Studierenden auf der Grundlage komplexer Aufgabenstellungen eigene Lösungen für ein Problem zu entwickeln, diese in der virtuellen Realität umzusetzen und die Wirkung verschiedener Parameter einzuschätzen. Solche Aufgabenstellungen und deren virtuelle Umsetzung erproben die Digital Fellows in unserem aktuellen Interview. Das Tandem-Fellowship von Prof. Dr. Karsten Menzel von der TU Dresden und Prof. Dr.-Ing. Ulrich Möller von der HTWK Leipzig bewegt sich im Bereich des Bauwesens und der Architektur. Virtual Reality dient hier einer hochschulübergreifenden problembasierten Gruppenarbeit.
In welcher Form kommt Virtual Reality innerhalb Ihres Fellowships zum Einsatz? Was wird genau virtualisiert?
Prof. Möller: VR wird bei uns eingesetzt, um den Studierenden beim Planen von Gebäuden, den räumlichen Eindruck ihres Modells zu vermitteln und bei den Baubesprechungen mit den beteiligten Fachplanergruppen eine visuelle Kollisionsprüfung durchzuführen. Das Zusammenspiel von Architektur und Gebäudetechnik führt zum Beispiel oft zu Überschneidungen während des Planungsprozesses. Mit Hilfe von VR können kritische Lagen von z. B. Rohrleitungen frühzeitig erkannt und behoben werden. So wird verhindert, dass nachfolgende Prozesse sich verzögern. Die Studierenden visualisieren das komplette Gebäudemodell, das heißt sowohl alle tragenden und nicht tragenden Bauteile wie Wände, Fenster und Decken, aber eben auch die Gebäudetechnik wie Sanitär- und Lüftungsleitungen.
Worin liegen Ihrer Ansicht nach die Vorteile bei der Verwendung von Virtual Reality im Lehrangebot der Ingenieurwissenschaften?
Prof. Möller: Der Vorteil liegt ganz klar bei der schnellen Visualisierbarkeit von an sich komplexen Strukturen und Zusammenhängen. Die Lage von Bauteilen im 2D-Plan sind schwer zu greifen und selbst bei geübten Ingenieur:innen nur bis zu einem gewissen Grad erkennbar. VR ermöglicht das Erleben von Bauwerken, bevor sie gebaut wurden und hilft somit gestalterische aber auch statische Begebenheiten im Blick zu behalten.
Wie kommt das Angebot bei Ihren Studierenden an?
Prof. Möller: Die Plätze an der HTWK sind auf 32 begrenzt. Da wir Studierende von 2 Fakultäten damit ansprechen, haben wir seit Beginn der Kooperation einen starken Zulauf. Die Teilnehmenden schätzen das praxisnahe und vor allem zukunftsorientierte Lehrkonzept.
Inwiefern ist Ihr Lehr-/Lernszenario auch auf andere Fachbereiche übertragbar?
Prof. Möller: Die fakultäts- und hochschulübergreifende Zusammenarbeit lässt sich sicherlich in jedem andern Fachgebiet realisieren. Voraussetzung für eine erfolgreiche Lehre ist, dass alle Beteiligten die Notwendigkeit von neuen Lernkonzepten erkennen und diese gemeinsam angehen. Bei uns war früh klar, dass eine Kooperation nur funktioniert, wenn eine gemeinsame Plattform für die organisatorischen und projektspezifischen Aufgaben bereitsteht. Die Kommunikation der Studierenden über eine große Distanz kann nur mit neuesten Kommunikationsmitteln aufrechtgehalten werden. Für uns sind deshalb Videokonferenzen nicht erst seit Corona ein Bestandteil unseres Lehrkonzeptes.
Welche Voraussetzungen sind Ihrer Meinung nach notwendig, damit Virtual Reality in der Lehre breitere Anwendung finden kann? Welche Rolle spielt beispielsweise die technische Ausrüstung der Hochschulen und der Studierenden?
Prof. Möller: Prof. Möller: Für die Anwendung von VR benötigt man zuallererst mal eine starke Rechentechnik und entsprechende Programme. Dies stellt wohl für die breite Verwendung die größte Hürde dar. Die Visualisierung von komplexen 3D-Modellen, wie wir sie im Bauwesen vorfinden, benötigt eine leistungsstarke Grafikkarte und ein geeignetes Ausgabegerät. Eine CAVE können wohl nur die wenigsten anschaffen, jedoch sind VR-Brillen schon für relativ kleines Geld zu haben. Die Hochschullandschaft muss jedoch die Notwendigkeit von IT-gestützten Prozessen begreifen, um dort langfristig Sicherheit und Stabilität zu schaffen. Es entstehen nicht nur einmalige Anschaffungskosten, an die man denken muss. Die Bereitstellung von finanziellen Mitteln auch für die Lizenzen von Software-Produkten muss stärker fokussiert werden.